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Text & Bild: Marilena Rothenbühler & David Fürst

Für mich gibt es keine Entschuldigungen mehr – eine Ausstellung
über sexualisierte Gewalt

Das FLINTA-Kollektiv Amazonen bildete sich im Herbst 2021 und realisierte die Kunstausstellung Körpergrenzen, die am 17. Dezember in einer Zwischennutzung ihre Vernissage feierte. Marilena Rothenbühler und David Fürst haben das Projekt unterstützt und führten das Interview.
 

Amazonen

Das Kollektiv Amazonen setzt sich aus jungen FLINTA-Personen zusammen, was bedeutet, dass keine cis-Männer im Kollektiv sind. Der Name des Kollektivs ist an die Völker der griechischen Mythologie und Sagen angelehnt. Die Amazonen sind ein von Männern unabhängiger Bund von Frauen, die gemeinsam Ziele verfolgen und gegen patriarchale Unterdrückung kämpfen. Diese Energie überträgt das Kollektiv auch in ihre Arbeit. Einige Monate nach der Gründung reflektieren sie den Namen aber auch wieder, da ihr Kollektiv auch aus nicht binären Menschen besteht. Über sexualisierte Gewalt wird viel zu wenig gesprochen, obwohl jede Person davon betroffen ist.
 

Open Call

"Über sexualisierte Gewalt wird viel zu wenig gesprochen, obwohl jede Person davon betroffen ist.", sagt eine Aktivist*in der Amazonen und deshalb machten sie einen Open Call, um verschiedene Perspektiven einbeziehen zu können. Diesem Ruf folgen viele Künstler*innen, die ihre Arbeiten einreichten. Die Amazonen kuratierten die Kunstwerke und richteten einen Ausstellungsraum in einer Zwischennutzung ein. Um die Besuchenden auf die gewaltvollen Inhalte der Ausstellung hinzuweisen, wurde der Eingang der Ausstellung als Tunnel mit Plakaten und Hinweisen an den Wänden gebaut. Somit wussten die Besucher*innen schon im Voraus, womit sie konfrontiert werden würden. Die Amazonen sammelten zudem verschiedene Broschüren und Informationen, die im Eingangsbereich zu lesen waren.
 

Kunst als Mittel

“Kunst ist für uns ein Sprachrohr, um möglichst viele Menschen zu erreichen”, sagt eine Person aus dem Kollektiv. Die Auseinandersetzung mit Bildern und Installationen liefert einen niederschwelligen Zugang, der unmittelbar trifft und viele Emotionen auslöst. “Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema wurden viel Schmerz spürbar. Die Arbeit innerhalb des Kollektivs war sehr kräftezehrend, doch wir wollten trotzdem diesem Thema Raum geben”, sagt eine andere Person, die andere Ausstellung beteiligt war.
 

Partizipation

Die Besucher*innen wurden miteinbezogen und konnten an einer grossen Wand auf Papier Fragen beantworten oder Rückmeldungen geben. „Ich bin auch ein Täter”, stand an der Wand. In ähnlicher Weise äusserten sich viele Besucher*innen, denen erst durch die ausgestellten Arbeiten bewusst wurde, dass sie auch Täter*innen sind und sexualisierte Gewalt viele Formen hat. Eine Person sagte dazu: Diese Erkenntnis ist schmerzhaft, aber mega wichtig für die Veränderung von toxischem Verhalten gerade in intimen Beziehungen.”
 

Resümee

"Es war keineswegs eine schöne Ausstellung – die Stimmung war bedrückend und düster.” Diesen Eindruck war vom Kollektiv so gewollt. Es war ein Eintauchen in eine Thematik, die viele Menschen verdrängen. Das Kollektiv ist sich einig, dass sexualisierte Gewalt breiter diskutiert werden muss. Es braucht eine Sprache, in der wir Wörter finden, um unser Verhalten reflektieren und übergriffige Handlungen benennen zu können. Viele Jugendliche können Zuhause oder in der Schule nicht über sexualisierte Gewalt sprechen, deshalb muss die Auseinandersetzung in der Schule und Zuhause unbedingt vorangetrieben werden. Wichtig ist auch die Praxis des Konsenses. Nur so kann einvernehmlich intime Beziehungen gelebt werden. „Ich möchte ab jetzt immer nach Konsens gefragt werden und auch selbst fragen, wenn ich mit einer Person intim werde. Für mich gibt es jetzt keine Entschuldigungen mehr. Es muss so normal werden wie das gendern", sagt eine Person aus dem Kollektiv.

Das Kollektiv freut sich weiterhin über Feedback und ist auf Instagram erreichbar:
kollektiv_amazonen

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